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Barrierefreies Webdesign

Barrierefreies Webdesign

Das Internet gehört allen Menschen – doch leider ist das noch lange nicht Realität. Millionen von Nutzern stoßen täglich auf digitale Barrieren, die sie vom Zugang zu wichtigen Informationen und Dienstleistungen ausschließen. Dabei ist die Lösung näher, als viele denken. Mit durchdachtem barrierefreiem Webdesign können Websites so gestaltet werden, dass sie wirklich für jeden zugänglich sind.

Warum Barrierefreiheit im Web so wichtig ist

Über eine Milliarde Menschen weltweit leben mit einer Form der Behinderung. Das entspricht etwa 15 Prozent der Weltbevölkerung. Doch Barrierefreiheit betrifft nicht nur Menschen mit dauerhaften Einschränkungen. Temporäre Beeinträchtigungen wie ein gebrochener Arm, situative Hindernisse wie laute Umgebungen oder auch die natürlichen Veränderungen des Alters können jeden von uns treffen.

Eine barrierefreie Website bedeutet nicht nur gesellschaftliche Verantwortung. Sie eröffnet auch neue Zielgruppen und verbessert die Nutzererfahrung für alle Besucher. Studien zeigen immer wieder, dass barrierefreie Websites bessere Suchmaschinenrankings erzielen, geringere Wartungskosten verursachen und höhere Conversion-Raten aufweisen.

Ab dem 28. Juni 2025 wird die Sache noch dringlicher. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz macht barrierefreie Gestaltung für viele Unternehmen zur gesetzlichen Pflicht. Wer jetzt handelt, ist nicht nur rechtlich auf der sicheren Seite, sondern verschafft sich auch einen Wettbewerbsvorteil.

Die rechtliche Situation verstehen

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz setzt die europäische Richtlinie des European Accessibility Act in deutsches Recht um. Es sorgt dafür, dass europaweit einheitliche Standards für digitale Barrierefreiheit gelten. Die Regelungen orientieren sich an der europäischen Norm EN 301 549, die wiederum stark an den internationalen Web Content Accessibility Guidelines angelehnt ist.

Besonders betroffen sind Websites, die Dienstleistungen anbieten. Dazu zählen nicht nur Webshops, sondern auch Kontaktformulare, Terminbuchungssysteme oder Newsletter-Anmeldungen. Wer diese Funktionen auf seiner Website anbietet, muss ab Mitte 2025 die Barrierefreiheitsstandards einhalten.

Die Überwachung erfolgt durch die Bundesländer, die entsprechende Kontrollmechanismen einrichten. Bei Verstößen drohen Bußgelder und im schlimmsten Fall der Ausschluss bestimmter Produkte oder Dienstleistungen vom Markt.

Die vier Grundprinzipien der Barrierefreiheit

Die Web Content Accessibility Guidelines definieren vier fundamentale Prinzipien, die jede barrierefreie Website erfüllen muss. Diese Prinzipien bilden das Fundament für alle weiterführenden Richtlinien und Techniken.

Wahrnehmbarkeit sicherstellen

Informationen und Bedienelemente müssen so präsentiert werden, dass sie von allen Nutzern wahrgenommen werden können. Das bedeutet konkret, dass wichtige Inhalte nicht nur über einen Sinneskanal vermittelt werden dürfen. Bilder benötigen beschreibende Alt-Texte für sehbehinderte Nutzer, Videos brauchen Untertitel für gehörlose Menschen, und Farbinformationen müssen auch über andere Wege erkennbar sein.

Ein praktisches Beispiel: Ein roter Warnhinweis sollte nicht nur durch die Farbe als wichtig erkennbar sein. Zusätzliche Symbole, Texte oder andere visuelle Hinweise stellen sicher, dass auch farbenblinde Nutzer die Bedeutung verstehen.

Bedienbarkeit gewährleisten

Alle Funktionen einer Website müssen für jeden Nutzer bedienbar sein. Das schließt Menschen ein, die keine Maus verwenden können und auf die Tastaturnavigation angewiesen sind. Jedes interaktive Element muss über die Tastatur erreichbar und bedienbar sein.

Zeitbasierte Inhalte stellen eine besondere Herausforderung dar. Automatisch ablaufende Slideshows oder Timeouts bei Formularen können für Menschen mit motorischen Einschränkungen problematisch werden. Nutzer müssen die Möglichkeit haben, solche Zeitlimits zu verlängern oder ganz auszuschalten.

Verständlichkeit fördern

Inhalte und die Bedienung der Website müssen verständlich sein. Das beginnt bei einer klaren, einfachen Sprache und setzt sich in einer logischen Navigation fort. Fachbegriffe sollten erklärt und ungewöhnliche Wörter vermieden werden.

Besonders wichtig ist die Vorhersagbarkeit der Navigation. Menüs sollten auf allen Seiten an der gleichen Stelle stehen, und Links sollten das halten, was sie versprechen. Unerwartete Ereignisse wie automatische Seitenwechsel oder plötzlich aufpoppende Fenster verwirren Nutzer und sollten vermieden werden.

Robustheit schaffen

Inhalte müssen robust genug sein, um von verschiedenen Benutzeragenten und Assistenztechnologien interpretiert werden zu können. Das bedeutet vor allem, dass der HTML-Code semantisch korrekt und validiert sein muss.

Screenreader und andere Hilfstechnologien sind darauf angewiesen, dass Überschriften als Überschriften ausgezeichnet sind, Listen als Listen erkennbar sind und Formulare korrekt beschriftet werden. Sauberer, semantischer Code ist das Fundament für funktionierende Barrierefreiheit.

Praktische Umsetzung im Detail

Bilder und Medien zugänglich machen

Jedes Bild auf einer Website sollte einen aussagekräftigen Alt-Text haben, der den Inhalt oder die Funktion des Bildes beschreibt. Dabei kommt es auf den Kontext an. Ein Produktbild in einem Webshop benötigt eine andere Beschreibung als das gleiche Bild in einem redaktionellen Artikel.

Rein dekorative Bilder, die keine Information vermitteln, sollten mit einem leeren Alt-Attribut versehen werden. So ignorieren Screenreader diese Bilder und der Nutzer wird nicht mit überflüssigen Informationen belastet.

Videos benötigen Untertitel für gehörlose Nutzer und idealerweise auch eine Audiodeskription für sehbehinderte Menschen. Bei automatisch startenden Videos sollte immer eine Pause-Funktion verfügbar sein.

Navigation strukturiert aufbauen

Eine klare Seitenstruktur mit logisch aufgebauten Überschriften erleichtert allen Nutzern die Orientierung. Screenreader-Nutzer können zwischen Überschriften springen und sich so schnell einen Überblick über den Seiteninhalt verschaffen.

Die Hauptnavigation sollte konsistent und vorhersagbar sein. Ein "Zum Hauptinhalt springen"-Link am Seitenanfang ermöglicht es Tastatur-Nutzern, direkt zu den wichtigen Inhalten zu gelangen, ohne sich durch die gesamte Navigation kämpfen zu müssen.

Breadcrumb-Navigation und eine Sitemap helfen bei der Orientierung auf größeren Websites. Suchfunktionen sollten tolerant gegenüber Tippfehlern sein und hilfreiche Vorschläge machen.

Formulare benutzerfreundlich gestalten

Formulare sind oft die kritischsten Elemente einer Website, da hier wichtige Aktionen wie Käufe oder Anmeldungen stattfinden. Jedes Eingabefeld benötigt eine eindeutige Beschriftung, die auch programmatisch mit dem Feld verknüpft ist.

Fehlermeldungen müssen klar verständlich sein und konkrete Lösungsvorschläge enthalten. Statt "Ungültige Eingabe" sollte es heißen "Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein, zum Beispiel: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.".

Pflichtfelder sollten deutlich als solche gekennzeichnet sein, und zwar nicht nur durch Farbe oder Symbole, sondern auch durch Text. Validierung sollte möglichst in Echtzeit erfolgen, damit Nutzer sofort sehen, ob ihre Eingabe korrekt war.

Farben und Kontraste richtig einsetzen

Ausreichende Kontraste zwischen Text und Hintergrund sind essentiell für die Lesbarkeit. Die WCAG 2.2 definieren konkrete Kontrastwerte, die eingehalten werden müssen. Für normalen Text ist ein Kontrastverhältnis von mindestens 4,5:1 erforderlich, für großen Text reicht 3:1.

Informationen dürfen niemals nur über Farbe vermittelt werden. Wenn ein Formularfeld rot umrandet ist, um einen Fehler anzuzeigen, muss zusätzlich ein Text oder Symbol die Fehlermeldung verdeutlichen.

Interaktive Elemente müssen auch ohne Farbe als solche erkennbar sein. Links können zusätzlich zur Farbe unterstrichen werden, Buttons benötigen erkennbare Rahmen oder Schatten.

Tools und Hilfsmittel für die Praxis

Die Umsetzung von Barrierefreiheit muss nicht kompliziert sein. Verschiedene Tools helfen bei der Analyse und Verbesserung von Websites. Browser-Extensions wie axe DevTools oder WAVE können erste automatisierte Checks durchführen und offensichtliche Probleme aufdecken.

Farbkontrast-Checker helfen dabei, ausreichende Kontrastverhältnisse zu finden. Tools wie das Color Oracle simulieren verschiedene Arten der Farbenblindheit und zeigen, wie eine Website für betroffene Nutzer aussieht.

Wichtig ist jedoch zu verstehen, dass automatisierte Tools nur einen Teil der Probleme erkennen können. Eine vollständige Barrierefreiheitsprüfung erfordert auch manuelle Tests und idealerweise Tests mit echten Nutzern, die auf Assistenztechnologien angewiesen sind.

Der Weg zur barrierefreien Website

Die Umstellung auf barrierefreies Webdesign ist ein Prozess, der systematisch angegangen werden sollte. Der erste Schritt ist eine ehrliche Bestandsaufnahme der aktuellen Website. Welche Barrieren existieren bereits? Wo sind die größten Probleme?

Die Priorität sollte zunächst auf den kritischen Bereichen liegen. Hauptnavigation, Kontaktformulare und zentrale Inhalte haben Vorrang vor weniger wichtigen Seitenbereichen. Eine schrittweise Umsetzung ist oft sinnvoller als der Versuch, alles auf einmal zu ändern.

Schulungen für das gesamte Team sind dabei unerlässlich. Entwickler, Designer, Redakteure und Projektmanager müssen verstehen, warum Barrierefreiheit wichtig ist und wie sie in ihrem Arbeitsbereich umgesetzt wird.

Die Investition in Barrierefreiheit zahlt sich langfristig aus. Websites werden wartungsfreundlicher, die Suchmaschinenoptimierung verbessert sich, und neue Zielgruppen werden erschlossen. Vor allem aber wird das Internet zu einem Ort, der seinem ursprünglichen Versprechen gerecht wird: Information und Kommunikation für alle Menschen zugänglich zu machen.

Zukunftssicher bleiben

Die Web Content Accessibility Guidelines werden kontinuierlich weiterentwickelt. Die aktuelle Version WCAG 2.2 wurde im Oktober 2023 veröffentlicht und enthält neun neue Kriterien gegenüber der Vorversion. Diese Entwicklung zeigt, dass Barrierefreiheit kein einmaliges Projekt ist, sondern ein fortlaufender Prozess.

Wer jetzt mit der Umsetzung beginnt, ist nicht nur für die gesetzlichen Anforderungen von 2025 gerüstet, sondern schafft auch die Grundlage für eine zukunftsfähige, inklusive Web-Präsenz. Das Internet der Zukunft wird barrierefrei sein – die Frage ist nur, wer rechtzeitig dabei ist.